Stationenlernen: Informationsphase zu IPv6

Didaktische Entscheidungen

Relevanz der Thematik

„Der IPv4-Adresspool der IANA reicht offenbar nicht mindestens bis März, wie als ungünstiger Fall angenommen, sondern ist offenbar jetzt schon leer. Die regionalen Adressverwalter, etwa das europäische RIPE, werben für die schnelle Einführung von IPv6, dessen großer Adressraum dieses Problem aus der Welt schafft. Auch etliche deutsche Provider, darunter die Deutsche Tele­kom, haben mit der IPv6-Einführung bereits begonnen oder wollen diese in diesem Jahr in Angriff nehmen.“ (www.heise.de, 22.1.2011).

Die Zukunftsbedeutung ist somit gegeben, da IPv6 für die Zukunft des Internets bzw. der Netzwerktechnik eine große Rolle ein­nehmen wird. Kompetenzen zu IPv6 werden zunehmend nachgefragt und erhöhen die Chancen der Schüler/-innen auf dem Arbeitsmarkt.

Zudem hat die Arbeitsaufgabe „Einsatz von IPv6 planen und konfigurieren“ eine konkrete Gegen­wartsbedeutung für die Schüler/-innen, da es auf die bereits durchlaufende Unterrichtsreihe zu IPv4 und zur Konfiguration von Routern aufbaut. Im Unterricht stellte sich heraus, dass die Schüler/-innen sich der Problematik der knappen IPv4-Adressen bewusst sind. Das Interesse der Schüler/-innen an diesem The­ma ist daher als hoch einzuschätzen.

Die in der Arbeitsaufgabe formulierten Anforderungen bilden eine realistische berufliche Problem-stellung. Der Kundenauftrag als Ausgangspunkt für die Arbeitsaufgabe bietet den Schülern/-innen einen hohen Handlungsspielraum bei der Umsetzung der Anforderungen. So ist die exemplarische Be­deutung bei dieser Arbeitsaufgabe gegeben, da allgemeine Anforderungen einer beruflichen Handlungssituation individuell / situativ umgesetzt werden.

Didaktische Reduktion und inhaltliche Strukturierung

Eine erste inhaltliche Struktur ergibt sich aus der Orientierung am OSI-Modell, welches die Daten­übertragung in verschiedene Schichten unterteilt, die je eigene Aufgaben und Funktionen haben. Bei dieser Arbeitsaufgabe zu IPv6 steht die Vermittlungsschicht (3. Schicht) im Mittelpunkt. Die Vermittlungsschicht bildete bereits in der vorherigen Unterrichtsreihe zu IPv4 und Routing den Schwerpunkt, sodass die Schüler/-innen auf ihr Vorwissen zurückgreifen und dieses vertiefen können:

7Anwendungsschicht
6Darstellungsschicht
5Sitzungsschicht
4Transportschicht
3Vermittlungsschicht← Schwerpunkt dieser Arbeitsaufgabe
2Sicherungsschicht
1Bitübertragungsschicht

Durch den Einsatz eines Kundenauftrages als Arbeitsaufgabe mit konkreten Anforderungen wird eine inhaltliche Strukturierung vorgegeben und ein hoher Bezug zur realen Berufswelt hergestellt. Die Anforderungen sind so strukturiert, dass diese aufeinander aufbauen und sich am Kreis der vollständigen Handlung orientieren:

  • Informationsbeschaffung zu IPv6 ← Information
  • Planung der Netzwerkkonfiguration ← Planung / Entscheidung
  • Grundkonfiguration der Switche und Router
  • Netzwerkkonfiguration Ausführung / Prüfung
  • Konfiguration des Routings
  • Kundenübergabe ← Bewertung

Von technischer Seite erfolgt eine vertikale didaktische Reduktion durch die Einschränkung auf Switche und Router bzw. auf die Simulationssoftware PacketTracer der Firma Cisco und durch die Anwendung bei Betriebssystemen der Firma Microsoft. Die Aufgabenstellungen wurden jedoch nach Möglichkeit so ausgewählt, dass ein Transfer zu anderen Netzwerkkomponenten bzw. Be­triebssystemen möglich ist, Cisco-spezifische Techniken werden daher nicht berücksichtigt. Die In­halte wurden durch die Formulierung der Arbeitsaufgabe vertikal reduziert bzw. umgekehrt. Beispielsweise wurden auf detaillierte Einteilungen der Adressbereiche, auf die detail­lierte Funktion der Autokonfiguration, auf die Adressvergabe mit DHCP, auf weitere Routing-Proto­kolle als RIPng, auf Übersetzungsverfahren, auf Möglichkeiten der „Zwischennutzung“ wie Teredo oder Proxyserver / Tunnelanbieter wie sixxs bewusst verzichtet. Da PacketTracer 6to4-Tunnel nicht unterstützt, wurde auf diese Anwendung ganz verzichtet.

Der Einsatz einer Simulationssoftware ist zugleich auch horizontale didaktische Reduktion, da es eine vereinfachte Darstellung eines Netzwerks bietet (keine Hardware, Übersichtlichkeit, Kon­trollmöglichkeit für die Schüler/-innen, etc.). Die Arbeitsmaterialien zu den einzelnen Stationen wurden auf möglichst isolierte Themenfelder konzentriert und möglichst einfach formuliert und ge­staltet, um diese dem Kompetenzstand der Schüler anzupassen.

Didaktisches Konzept

Die einzelnen Themen sollen laut Rahmenplan in Einzel- und Teamarbeit sowie überwiegend an­hand von Kundenaufträgen handlungsorientiert erarbeitet werden. Die Inhalte und die Lern­prozesse sind dabei möglichst stark an der Lebens- und Berufswelt der Schüler/-innen orientiert.

„Handlungsorientierter Unterricht ist ein ganzheitlicher und schüleraktiver Unterricht, in dem die zwischen dem Lehrer und den Schülern vereinbarten Handlungsprodukte die Organisation des Un­terrichtsprozesses leiten, sodass Kopf- und Handarbeit der Schüler in ein ausgewogenes Verhält­nis zueinander gebracht werden können.“ (Meyer 1987:214)

Dieses Konzept wurde für die Unterrichtsreihe „Einsatz von IPv6 planen und konfigurieren“ aus­gewählt, weil anhand der Arbeitsaufgabe bzw. des Kundenauftrages die Schüler/-innen mit einer kon­kreten beruflichen Handlungssituation konfrontiert werden, was insbesondere für die voll­schulischen Bildungsgänge und den lernfeldorientierten Unterricht geeignet ist. Durch Freiheits­grade bei der Erstellung der Handlungsprodukte erhalten die Schüler/-innen die Möglichkeit, ihre Handlungskompet­enz individuell zu stärken und zu erweitern. Handlungsprodukt der Arbeitsauf­gabe ist das einge­richtete und den Vorgaben entsprechend konfigurierte Netzwerk.

Durch die Orientierung am handlungsorientierten Unterricht anhand eines möglichst authentischen Kundenauftrags durchlaufen die Schüler/-innen bei allen Lernaufgaben zum „Einsatz von IPv6 planen und konfigurieren„ die Phasen des handlungsorientierten Unterrichts:

Die Phasen „Orientieren“ und „Informieren“ sind Gegenstand der gezeigten Unterrichtsstunde. Das Informieren wird durch die Methode Stationenlernen umgesetzt:

Beim Stationenlernen sind an verschiedenen Positionen im Raum, den „Lernstationen“, Arbeits­aufträge unterschiedlicher Art ausgelegt, die nacheinander von den Schüler/-innen bearbeitet werden. Die Aufträge befassen sich mit verschiedenen Aspekten zu IPv6, können aber teilweise un­abhängig voneinander und in unterschiedlicher Reihenfolge bearbeitet werden. Dadurch erhalten die Schüler/-innen die Möglichkeit, ihren Lernweg entsprechend ihrer Interessen und Fähigkeiten selbst zu steuern. Durch die Partnerarbeit können die Schüler/-innen sich gegenseitig unter­stützen. Unterschiede im Leistungsvermögen und Lernverhalten einzelner Schüler/-innen können so leichter im Unterricht berücksichtigt und beobachtet werden. Für die Beobachtung der Sozial- und Methodenkompetenzen bearbeiten die Lehrer während des Stationenlernens einen entsprechen­den Beobachtungsbogen.

„Im Stationenlernen wird durch Art und Auswahl der Aufträge die Vielfalt möglicher Zugänge zum Stoff betont: Alle Sinneskanäle lassen sich durch die Art des ausgewählten Materials und Auf­gabenstellungen ansprechen. Auch direktes Handeln kann durch gezielte Aufforderungen für Ent­scheidungen bei der Aufgabenbearbeitung gefördert werden. Die Methode weist den Lernenden eine aktive und verantwortungsvolle Rolle innerhalb des Lernprozesses zu. Damit steht sie anderen handlungsorientierten Methoden nahe.“ (Reich, 2008)

Das gleichzeitige Lernen an gleichen oder unterschiedlichen Lernaufgaben bedarf, wie alle Grup­penprozesse, definierte Regeln. Diese werden den Schülern/-innen vor dem Beginn des Stationenlernens nahegebracht und bilden die Grundlage für den Beobachtungsauftrag der Lehrenden. Um den Schülern/-innen auch eine Selbstbeurteilung des Lernprozesses zu ermöglichen, widmet sich eine Station dieser Fragestellung durch die Methode Zielscheibe.

Bei den Lernstationen wechseln sich theoretische mit praktischen Aufgabenstellungen ab. Die neu­en Informationen werden in einem ähnlichen Kontext wie in der eigentlichen Arbeitsaufgabe um­gesetzt, um einen möglichst guten Transfer zu ermöglichen. Die Schüler/-innen besitzen nach Be­arbeitung aller Lernstationen die notwendigen Informationen, um die Arbeitsaufgabe zu lösen. Die Arbeitsauf­gabe wird daher nicht weiter untergliedert und / oder reduziert. Die Anwendung der im Stationen­lernen in einer komplexen Aufgabenstellung soll hier gefördert werden.

Kompetenzentwicklung und Indikatoren

Folgende Handlungskompetenzen werden in der gezeigten Unterrichtsstunde bzw. in der Unter­richtsreihe entwickelt:

Prozessbezogene IndikatorenProduktbezogene Indikatoren
Schüler/-innen bearbeiten in Partnerarbeit selbst organisiert die Aufgab­enstellungen an den einzelnen Stationen, erarbeiten sich die Informationen, finden eigenständig Lösungen und vergleichen diese mit den Musterlösungen bzw. besprechen sie mit den Lehrern und korrigieren ggf. ihre Lösung. (Stationen 0 – 3)Arbeitsblätter zu den einzelnen Stationen
Schüler/-innen bearbeiten in Partnerarbeit selbst organisiert die Aufgab­enstellungen an den einzelnen Stationen, konfigurieren die Arbeitsplatz-PCs mit IPv6 und vergleichen diese mit den Muster­lösungen bzw. besprechen sie mit den Lehrern und korrigieren ggf. ihre Lösung. (Stationen 4 – 5)Arbeitsblätter zu den einzelnen Stationen
Schüler/-innen bearbeiten in Partnerarbeit selbst organisiert die Aufgab­enstellungen an den einzelnen Stationen, erstellen mit PacketTracer kleine Netzwerke mit IPv6 und vergleichen diese mit den Musterlösungen bzw. besprechen sie mit den Lehrern und korrigieren ggf. ihre Lösung. (Stationen 6 – 8)PacketTracer-Dateien
Schüler/-innen beurteilen Ihren Lernprozess während des Stationenlernens mit der Methode Zielscheibe (Station 9)Arbeitsblatt

Handlungsentwurf

Anhand der folgenden Tabelle wird der geplante Ablauf des Unterrichtsblocks deutlich:

ZeitInhaltDidaktischer KommentarMedien/Material
8:00-8:15Lehrer stellt die Gäste und das Thema des heutigen Tages vor

Lehrer stellt den Arbeitsauftrag vor und ver­teilt diesen an die Schüler/-innen

Lehrer verteilt den Laufzettel, erklärt Ablauf und Regeln des Stationenlernens, stellt die einzelnen Stationen vor

Lehrervortrag (Plenum)

Lehrer-Schüler-Gespräch (Plenum)

→ Orientierung

Beamer

Arbeitsaufgabe, Lauf­zettel
Regeln

Beginn des Stationenlernens: Schüler/-innen verteilen sich auf die einzelnen Stationen
8:15-9:30Schüler/-innen verteilen sich in ihren Arbeitsgrupp­en gleichmäßig an den Stationen und be­ginnen mit der Be­arbeitung der Aufgaben

Schüler/-innen erarbeiten sich selbstständig ihre Lösungen und vergleichen diese mit den Musterlösungen bzw. besprechen diese mit den Lehrern

Lehrer stehen für Fragen beratend zur Ver­fügung und zeichnen die Laufzettel ab

Lehrer beobachten die Schüler/-innen

Schüleraktivität (Partnerarb­eit)

Lehrer-Schüler-Gespräch (Partnerarbeit)

→ Information

Laufzettel, Arbeits­blätter

PCs mit PacketTracerPCs mit Windows 7 und Windows XP

PCs mit Internetzugang

Musterlösungen

Beobachtungsbogen

Sofern alle Arbeitsgruppen eine Station oder mehrere Stationen bearbeitet haben, erfolgt am Ende des Un­terrichtsblockes eine Ergebnissicherung in Form einer Schülerpräsentation im Plenum zu der be­arbeiteten Station

Die Ergebnissicherung erfolgt individuell durch den Abgleich mit den Musterlösungen und den Rücksprachen mit den Lehrern. Eine Ergebnissicherung im Plenum erfolgt am Ende der Informati­onsphase / des Stationlernens exemplarisch für einzelne Stationen. Hier erfolgt zudem ein Rück­blick auf die Arbeitsaufgabe. Im weiteren Verlauf arbeiten die Schüler/-innen an der eigentlichen Arbeitsaufgabe, der Konfiguration des Netzwerkes für IPv4- und IPv6-Rechner.

Von Jan Quast

Ich bin Berufsschullehrer mit dem Schwer­punkt Netzwerk­technik am OSZ IMT in Berlin. Auch zu finden auf Xing