Simulationssoftware in der beruflichen Bildung

Dieser Text untersucht, ob Simulationssoftware in der beruflichen Erstausbildung gewinnbringend eingesetzt werden kann, ob sich mit Hilfe von Simulationssoftware handlungsorientierte Elemente in den Unterricht integrieren lassen, und wie eine didaktische Fundierung den Nutzen von Simulationssoftware bestimmt.

Der Einsatz von Simulationssoftware als Medium in der beruflichen Erstausbildung bietet den Lehrenden die Möglichkeit, komplexe Zusammenhänge darzustellen. Sofern die Simulationssoftware die genannten Inhalte nicht rein passiv – beispielsweise als Animation – wiedergibt, bietet sie dem Lernenden die Möglichkeit, die theoretischen Zusammenhänge anschaulich und praxisnah nachzuvollziehen.

Die verbreitete Vorstellung, durch genügend neue Technik in der Bildung würden sich pädagogisch innovative Lösungen wie von selbst einstellen, ist in der Vergangenheit nicht aufgegangen. Dringend notwendig für den Einsatz von Simulationssoftware ist eine didaktische Fundierung. In dieser Arbeit wird daher Bezug genommen zu verschiedenen didaktischen Modellen und dem Konzept des E-Learning. Wesentliche didaktische Fragestellungen für den erfolgreichen Einsatz von Simulationen in dieser Arbeit sind diejenigen nach den Chancen für die Verbesserung von Unterricht bzw. ob sich neue Unterrichtsgegenstände besser und effektiver bearbeiten lassen.

Lernfelder

Die Berufsschulen orientieren sich an den beruflichen Tätigkeiten und betrieblichen Arbeitsprozessen, um eine größere Praxisnähe zu erreichen. Die Kultusministerkonferenz (KMK) sieht daher in den schulischen Rahmenlehr­plänen bei allen neu geordneten Ausbildungsberufen eine Strukturierung in Lern­felder vor. Damit wird in jedem dieser Ausbildungsberufe die bisher übliche Fächertrennung in Technische Mathematik, Technisches Zeichnen, Technologie etc. zugunsten fächerübergreifenden Unterrichts in komplexen, praxisorientierten Lernfeldern aufgehoben. Lerninhalte werden nicht mehr nach fachsystematischen Lerngebieten, sondern nach handlungs­orientierten Lernfeldern geordnet. Die unterschiedlichen fachwissenschaftlichen Inhalte werden entsprechend ihrer Verknüpfung mit den beruflichen Arbeits­pro-zessen vermittelt. Bisherige, teilweise inhaltlich sehr detaillierte Rahmenlehr­pläne werden ersetzt durch exemplarische, weiter gefasste und übergreifende Inhalts­angaben auf einem höheren Abstraktionsniveau. Entsprechend soll sich auch der Einsatz von Simulationen an Lernfeldern und konkreten beruflichen Situationen orientieren.

Lernen in der Berufsschule vollzieht sich grundsätzlich in Beziehung auf konkretes, berufliches Handeln sowie in vielfältigen gedanklichen Operationen, auch gedanklichem Nachvollziehen von Handlungen anderer. Dieses Lernen ist vor allem an die Reflexion der Vollzüge des Handelns gebunden. Mit dieser gedanklichen Durchdringung beruflicher Arbeit werden die Voraussetzungen geschaffen für das Lernen in und aus der Arbeit. (KMK, 2000:10)

Die Lernfelder dienen dabei „nicht als verbindliches Fertigprodukt, sondern eher als … Bausatz“ (Buschfeld, 2000:167). Für eine konkrete Lernsituation sind vom Lehrer sowohl inhaltliche als auch methodische Entscheidungen zu treffen. Lernsituationen „stellen insofern kleinere Einheiten dar, als sie in handlungstheoretischer und unterrichtspraktischer Absicht einerseits zeitlich überschaubare Themen, im Sinne einer inhaltlichen Reduktion, aufbereiten, andererseits bestimmte Lernziele im Sinne einer normativen Reduktion bedienen“ (Schütte, 2006:228). Auch der Einsatz von Simulationssoftware nimmt den Lehrenden diese Entscheidungen nicht ab. Es ist klar zu definieren, zu welchem Thema und mit welchen Lernzielen simuliert werden soll.

Die Umsetzung des Lernfeldkonzeptes erfordert zum einen eine hohe pädagogische Kompetenz im Umgang mit offenen Lernsituationen. Zum anderen müssen Lehrerinnen und Lehrer ihr Selbstverständnis vom zentralen „Unterrichter“ und „Wissenden“ zum Gestalter, Begleiter und Moderator von Lernprozessen verändern. Es stellt sich nicht mehr nur die Frage, wie die Lehrenden ihre Unterrichtsinhalte gut aufbereiten und darstellen. Sie müssen auch herausfinden, wie dieser Unterrichtsinhalt Anlass und Ziel von konkreten Lernsituationen werden kann, wie diese entsprechend den Bedürfnissen der Lernenden gestaltet werden können, wie die Lernenden dabei zu begleiten sind und wie am Ende der Lernsituation das Ergebnis zu sichern und zu bewerten ist.

Apel und Sacher (2002:221ff) nennen fünf Prämissen für die methodische Gestaltung des Unterrichtes im Lernfeldkonzept:

  • Selbst- und Mitbestimmung der Lernenden bei der Auswahl von Inhalten, Arbeitsmitteln und Methoden
  • Zurückhaltung der Lehrenden bei gleichzeitiger Förderung selbstge-steuerten Lernens
  • Möglichst oft entdeckendes Lernen an problemhaltigen Aufgaben
  • Selbstverantwortliche Arbeitsformen wie Freiarbeit, Stationenlernen, Wochenplan- und Projektarbeit
  • Vermittlung von Lern- und Arbeitsmethoden

Kritiker merken an, dass sich das Lernfeldkonzept „durch die didaktische Fixierung auf Arbeits- und Geschäftsprozesse, auf situatives Lernen im Unternehmen reduziert… (und sich somit) nur an einem Lernort orientiert“ (Schütte, 2006:222). Schütte und andere fordern ein autarkes schulisches Curriculum. Insbesondere durch die Reduktion der systematischen Fachbildung sei im Lernfeldkonzept ein Verlust des Denkens in technischen Zusammenhängen zu befürchten. „Die Vermittlung von Kompetenzen erfolgt eindeutig auf Kosten der Stoffvermittlung: das Faktenwissen wird geringer, weniger Stoff wird gelernt“ (Clement, 2002:43f). Schütte (2006:227) diagnostiziert, dass die Lernfelder „für metall- und elektrotechnische Berufe didaktisch unterkomplex sind.“ Bei Terhat (1999:643) wird der Sinn von „unmittelbar gebrauchsorientiertem Lernen“ generell in Frage gestellt. Es wird zu zeigen sein, dass mit dem Einsatz von Simulationssoftware nach den Prämissen des Lernfeldkonzepts, die Vermittlung von Faktenwissen unterstützt werden kann.

Für mich stehen in diesem Text die folgenden zentralen Implikationen des Lernfeldkonzeptes im Vordergrund, die es in den folgenden Kapiteln und bei der Ausformulierung von Bausteinen für den Einsatz von Simulationssoftware zu beachten gilt:

  • Konzept der Handlungsorientierung
  • selbstgesteuertes Lernen
  • Integration von Arbeitsprozessen
  • Wandel der Lehrerrolle

Merkmale von Simulationssoftware

Generell gilt, dass „der Computer (in pädagogischen Prozessen) immer so brauchbar oder so unbrauchbar wie die Software (ist)“ (von Hentig, 2002:134). Die „Brauchbarkeit“ von Software in pädagogischen Prozessen lässt sich an zahlreichen Kriterien festmachen. Da sind einmal die inhaltlichen Möglichkeiten der Programme. Dann gibt es Kriterien, die entscheiden, wie sich die Programme in didaktischen Prozessen an Berufsschulen einbinden lassen. Hier können beispielsweise die Kriterien Kosten, Verfügbarkeit, notwendige Betriebssysteme sowie Bedienung und Dokumentation betrachtet werden. Weiter gilt es zu entscheiden, ob die Simulationen pädagogische Prozesse im Sinne eines handlungsorientierten Unterrichts im Sinne des Lernfeldkonzepts unterstützen können.

Generell gilt, dass sich die Rahmenbedingungen bzw. Vorraussetzungen für den Einsatz von Lernsoftware in der beruflichen Bildung verbessert haben. Eine fehlende technische Infrastruktur ist nicht mehr das grundsätzliche Hindernis für die Einführung und Nutzung computergestützter Lehr- und Lernkonzepte. Das Hindernis ist laut Ross (2001:17) „oft nicht so sehr eine Frage der Kosten als vielmehr eine Frage der Akzeptanz und der Verfügbarkeit multimedial aufbereiteter Lerninhalte.“

Allgemein werden bei der Ausstattung bzw. Einrichtung von Computerräumen selten didaktische Vorgaben beispielsweise des Lernfeldkonzeptes berücksichtigt. In vielen Computerräumen lässt sich unschwer das zugrunde liegende Konzept des Frontalunterrichtes erkennen. Die Senatsverwaltung für Bildung in Berlin entwickelte daher 1998 ein pädagogisches Rahmenkonzept für den Einsatz von informationstechnischen Medien (SenBJS, 1998), welches 2005 weiterentwickelt wurde (SenBJS, 2005). Die dort beschriebenen Konzepte vor allem zur allgemeinen Medienkompetenz sind jedoch für die in dieser Arbeit betroffenen Berufsschulen wenig geeignet, da für deren Lernende die Arbeit mit und an informations- und kommunikationstechnischen Medien zu den wesentlichen Ausbildungsinhalten zählt.

Einsatz von Simulationssoftware – didaktische Begründung

In diesem Kapitel werden die „Merkmale und Funktionen der gewählten Medien und Hilfsmittel“ (Kerres, 2001) im didaktischen Kontext der beruflichen Erstausbildung dargestellt. Erste didaktische Fragestellungen für den erfolgreichen Einsatz von Simulationssoftware wurden bereits in der Einleitung gestellt (Meschenmoser, 2002:179):

  • Was ist das Besondere an den Simulationen und welche Chancen werden für die Verbesserung von Unterricht gesehen?
  • Ergeben sich mit den Simulationen neue Unterrichtsgegenstände und lassen sich damit fachliche Themenstellungen besser und effektiver bearbeiten?

Um den Einsatz von Simulationssoftware nicht auf die Frage der Medienwahl zu reduzieren, die unabhängig von darüber hinaus gehenden didaktischen Überlegungen beantwortet werden kann, wird in den folgenden Abschnitten eine Verknüpfung mit den (fach-)didaktischen Modellen zur Planung von Unterricht hergestellt. In diesem Kapitel soll untersucht werden, welche Hilfestellungen die folgenden didaktischen Modelle und Konzepte für den Einsatz von Simulationen im Unterricht unter Beachtung der Anforderungen des Lernfeldkonzeptes geben: das bildungstheoretische Modell, das lerntheoretische Modell, das Konzept des E-Learnings sowie der Konstruktivismus. Anschließend werden die Potentiale von Simulationssoftware für den Unterricht sowie Kriterien für den Einsatz dieser Programme diskutiert. Vorangestellt ist dieser didaktischen Begründung eine allgemeine Diskussion über die Rolle von Medien bzw. „Neuen Medien“ in der beruflichen Ausbildung.

Potentiale von Simulationssoftware

In diesem Kapitel sollen einige Potentiale von Simulationssoftware für einen handlungsorientierten Unterricht, wie er im Lernfeldkonzept gefordert wird, beschrieben werden. Es wird auch aufgezeigt, was es vor allem zu beachten gilt, um diese Potentiale tatsächlich auszuschöpfen. Weitere Anforderungen an die konkrete Planung von Lernsituationen werden im Kapitel über Anwendungsbeispiele dargestellt.

Für die Planung von Lernsituationen mit Simulationssoftware wurde im Zusammenhang mit dem „Berliner Modell“ von Heimann betont, dass der Einsatz von Simulationen keine isolierte Entscheidung sein kann. Simulationen müssen wie alle Medien so eingesetzt werden, dass sie integraler Bestandteil der Lernsituation sind. Als solche stehen sie alternativ oder ergänzend zu den bekannten Unterrichtsmedien. Die Unterrichtsinhalte, die Methodik und die Intention sind dabei bestimmende Faktoren, die mit berücksichtigt werden müssen, um eine didaktisch begründete Entscheidung für den Einsatz von Simulationssoftware zu treffen.

Die Intention bzw. die Lernziele, werden allgemein in den Rahmenlehrplänen festgelegt. Für die konkrete Gestaltung von Lernsituationen sind diese Lernziele weiter auszuformulieren. Der Lehrende hat sich dabei zu fragen, ob die Lernziele durch den Einsatz einer Simulation erreicht werden können bzw. ob sich die Lernziele mit anderen Medien besser erreichen lassen.

Bei der Festlegung, welche Unterrichtsinhalte mit dem Medium der Simulation vermittelt werden können, sind neben den allgemeinen Potenzialen vor allem die Funktionen der einzelnen Programme zu berücksichtigen. Simulationen werden also vor allem dann eingesetzt werden, wenn der Unterrichtsgegenstand aufgrund seiner hohen Komplexität oder seiner fehlenden Verfügbarkeit für die Lernenden mit herkömmlichen Medien nur schwer zugänglich ist.

Die wesentlichen Potentiale von Simulationen in der beruflichen Bildung liegen zum einen in genau dieser Möglichkeit, komplexe Sachverhalte wie das Routing in Netzwerken wirklichkeitsnah in den Unterricht integrieren zu können. Zum anderen liegen sie in der Möglichkeit, den Lernenden einen im Sinne des Lernfeldkonzepts handlungsorientierten Zugang zu ermöglichen. Beide Potentiale sollen im Folgenden ausgeführt werden.

Integration komplexer Sachverhalte durch Simulationen

Sowohl Lernende als auch Lehrende sehen sich heute vor allem in technischen Bereichen mit Themenstellungen konfrontiert, die vielfach komplexer, komplizierter und abstrakter sind als zuvor. Moderne Arbeitsprozesse sind durch den Einsatz von Mikroelektronik und Computertechnik sehr viel schwieriger für berufliches Lernen erschließbar. Informationstechnische Prozesse sind unmittelbar nicht wahrnehmbar bzw. nicht durch Anschauung des Prozesses selbst einsehbar. Vieles erscheint für die Sinne als so genannte Black-Box. Funktionen, Wirkungsweisen und Zusammenhänge lassen sich kaum oder nur höchst unvollkommen mit traditionellen Medien für das Lernen erschließen (vgl. Frede, 2001:31). Derartige Lerninhalte sind auch nicht mehr durch eine vorrangig verbal betriebene Kommunikation, beispielsweise im Frontalunterricht, darstell- und erlernbar.

Zu der verbalen Kommunikation muss eine geeignete nonverbale Darstellung so hinzukommen, dass Systeme und Prozesse in ihrer Ganzheit und Struktur abbildbar und Systemverhalten durch Interaktion erkundbar werden. Das unverzichtbare Lernen an der Realität muss mit einem Lernen an Abbildern von der Realität verbunden werden, weil man nur noch so in die Totalität der komplexen Systeme ein- und zu ihrem Wesen vordringen kann, weil sich nur so zu dem erfahrungsgeleiteten das immer wichtiger werdende theoriegeleitete Handeln dazu fügen lässt. (Ihbe, 2001:92)

Während Ihbe hier von „Abbildern der Realität“ spricht, merkt beispielsweise Dick (2000:28) kritisch an, dass man den Begriff der Simulation zu Unrecht auf seine Abbildfunktion durch Animationen reduziert. Animationen beschränken sich auf reine Abbildung eines Sachverhaltes, ohne dass die Lernenden in den Ablauf durch Verändern von Parametern eingreifen, ohne dass die Lernenden das System erkunden können. „Die Simulation als bloßes Abbild, als leichtgemachte Begegnung, ist entbehrlich“ (von Hentig, 2002:127).

Der Einsatz von Simulationen bietet jedoch bei der Vermittlung komplexer Inhalte wie dem Routing in Netzwerken Hilfestellung an und eröffnet die Chance, nicht mehr für den Unterricht zugängliche Prozesse wahrnehm- und erfahrbar zu machen.

Es zeigt sich, dass in vielen Fällen Computersimulation die einzige Möglichkeit ist, im Unterricht wichtige Einsichten zu vermitteln, die bislang nur deshalb nicht vermittelt wurden, weil keine geeignete Methode (bzw. kein geeignetes Medium) zur Verfügung stand. (Dick, 2000:198)

Durch die Möglichkeiten der Veranschaulichung komplexer technischer Vorgänge können Simulationen dem Anschauungsverlust entgegenwirken. Zusammenhänge werden durch veränderbare Parameter beschrieben. Sie ermöglichen den Lernenden, konkrete Wirklichkeitsbereiche bzw. komplexe Vorgänge als Modell abzubilden und den Einfluss von Parameteränderungen zu untersuchen. Idealerweise ist nicht zu unterscheiden, ob die Lernenden wirkliche Arbeitsprozesse steuern oder ob sie an Simulationsprozessen ausgebildet werden. Der Einsatz von Simulationssoftware verspricht hier eine große Praxisnähe. So ist es möglich, mit Echtdaten statt mit Beispielen, mit realen Projekten statt mit nachgestellten Fällen zu arbeiten. Konventionelle Lernmedien würden zusätzliche Transferleistungen erfordern.

Reich (2006:127) geht an dieser Stelle noch einen Schritt weiter und spricht allgemein von einem Simulationscharakter von Unterricht: „Eine äußere Realität scheint den Dingen an sich zuzukommen, die sich im Wissen abbilden lassen. Fachwissenschaften sind dieser Abbildung am nächsten. Diese Abbildung scheint didaktisch dann in zweiter Linie simuliert werden zu müssen, um in der Steuerung von Lernprozessen der ursprünglichen Realität möglichst nahe zu kommen.“

Das Potential, die Realität möglichst real simulieren zu können, zeigt aber zugleich wesentliche Grenzen von Simulationen. Grundlage jeder Simulation ist ein Modell von der Realität. Dieses Modell enthält in der Regel nicht alle Faktoren der abzubildenden Realität. Für den Einsatz von Simulationssoftware ist zu prüfen, welche Elemente der Realität nicht dargestellt werden können. Für das Lernen an Modellen ist es wichtig, diesen unvollständigen Charakter im Unterricht mit zu berücksichtigen. „Grundsätzlich können Modellergebnisse nicht als Ergebnisse des realen Objekts generalisiert werden. Am Modell können keine Entdeckungen der Realität gemacht, sondern nur Hypothesen aufgestellt werden“ (Dick, 2000:30). Idealerweise wird dies als Modellkritik in den Unterricht mit aufgenommen.

Integration handlungsorientierter Unterrichtselemente

Im Zusammenhang mit dem Lernfeldkonzept und der konstruktivistischen Didaktik wurde die Notwendigkeit von handlungsorientiertem Unterricht betont. Simulationen können die methodische Gestaltung einer Lernsituation mit dieser Ausrichtung erweitern.

Dale (1954) entwickelte bereits vor einem halben Jahrhundert ein Klassifikationssystem („Cone of Experience“), in dem er verschiedene Medien nach ihrer Wirklichkeitsnähe untersuchte. Bei Medien mit einer höheren Wirklichkeitsnähe prognostiziert Dale einen höheren Wissenszuwachs. Direkte Erfahrungen in der Realität oder der Einsatz von Simulationen stimulieren die Lernenden mehr zur Auseinandersetzung mit dem Wissensstoff als ein Lehrvortrag oder eine reine Abbildung. So erzeugen direkte Erfahrungen vor allem einen höheren Zuwachs an Handlungskompetenz.

Simulationssoftware-Quast-2007

In der konstruktivistischen Didaktik wird die Wirklichkeitsnähe ebenso betont. „Dinge und Gegenstände nach ihrem Verhalten, ihren Wirkungen und Funktionen zu beschreiben und zu studieren, dies gelingt dann besonders intensiv, wenn ich mit realen Dingen und wirklichen Gegenständen gezielte Versuche durchführen kann. Ergebnisse, die ich selbst herausgefunden habe, werde ich so schnell nicht vergessen“ (Reich, 2006:146).

Dies wird durch andere Studien bestätigt, bei denen eine höhere Behaltensleistung durch Ansprechen mehrerer Lernkanäle erreicht werden kann. Beim Frontalunterricht wird eine Behaltensleistung von 50% prognostiziert, da nur die Lernkanäle Hören und Sehen angesprochen werden. Bei einem Unterricht, in dem die Lernenden selbst handelnd tätig werden, steigt die Behaltensleistung auf bis zu 90%.

Besonders sinnvoll ist der Einsatz von Simulationen daher für selbstgesteuertes, entdeckendes und erkundendes Lernen. Meschenmoser (2002:96) bezeichnet Simulationssysteme auch als Experimentierumgebungen. Experimentierumgebungen dienen nach Meschenmoser als „kontrollierte Untersuchung von Wirklichkeit“ (ebd.). Der risikofreie Rahmen erlaubt Lernen aufgrund eigener Entscheidungen. Strategien des entdeckenden Lernens sind mit Simulationen auch für die komplexen Prozesse beim Internet-Routing leicht zu verwirklichen.

Entdeckendes Lernen hat im Zusammenhang mit dem Lernfeldkonzept einen hohen Stellenwert in der beruflichen Erstausbildung, da der Lernende sich das Wissen durch eigene Erarbeitung erschließt. Durch eine aktive Auseinandersetzung mit der Aufgabenstellung erkennt der Lernende, welche Informationen für die Bearbeitung notwendig sind. Entdeckendes Lernen bedeutet nicht, dass der Lernende in jeder Lernsituation völlig Neues entdecken soll, sondern dass das eigenständige Sammeln von Erfahrungen in unterschiedlichen Problemstellungen wesentlicher Bestandteil des Wissenserwerbs ist. Stein (2002:82) stellt fest, dass mit entdeckendem Lernen „Einsichten in komplexe Sachverhalte und Prinzipien erworben werden können.“

Sowohl Medien als auch Methoden sind für die Erreichung des Ziels einer beruflichen Handlungskompetenz zu bewerten. Simulationen mit ihren Potenzialen scheinen dabei besonders geeignet, Handlunsgorientierung in den Unterricht zu integrieren (Frede, 2001:33f).

Literatur

Apel, H.J.; Sacher, W. (2002) „Studienbuch Schulpädagogik“ Bad Heilbrunn: Klinkhardt
Buschfeld, D. (2000) „Denn tun sie nicht, was ihnen angetan? – Reaktionen von Lehrenden auf die Ordnungen von Lernfeldern“ in: Lipsmeier, A.; Pätzold, G. „Lernfeldorientierung in Theorie und Praxis“ Stuttgart: Steiner
Clement, U. (2002) „Lernfelder im richtigen Leben“ in: ZBW 98
Dale, E. (1954) „Audiovisual Methods in Teaching“ Ohio: R&W
Dick, E. (2000) „Multimediale Lernprogramme und telematische Lernarrangements“ Nürnberg: Bildung und Wissen
Frede, W. (2001) „Leitideen zu Entfaltung von Medienkompetenz“ in: Pfeil, G.; Hoppe, M.; Hahne, K. „Neue Medien – Perspektiven für das Lernen und Lehren in der beruflichen Bildung“ Bonn: BiBB S.29-40
Ihbe, W. (2001) „Lernen mit Multimedia – ein Beitrag zur Förderung beruflicher Handlungskompetenzen“ in: Pfeil, G.; Hoppe, M.; Hahne, K. „Neue Medien – Perspektiven für das Lernen und Lehren in der beruflichen Bildung“ Bonn: BiBB S.89-104
Kerres, M. (2001) „Mediendidaktische Professionalität bei der Konzeption und Entwicklung technologiebasierter Lernszenarien“ in: Herzig, B. „Medien machen Schule“ Bad Heilbrunn: Klinkhardt
KMK – Kultusministerkonferenz (2000) „Handreichungen für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule“ Bonn:
Meschenmoser, H. (1999) „Lernen mit Medien“ Baltmannsweiler: Schneider
Meschenmoser, H. (2002) „Lernen mit Multimedia und Internet“ Baltmannsweiler: Schneider
Reich, K. (2006) „Konstruktivistische Didaktik“ Weinheim und Basel: Beltz
Ross, E. (2001) „Moderne Lerntechnologien in Schule und Berufsbildung“ in: Pfeil, G.; Hoppe, M.; Hahne, K. „Neue Medien – Perspektiven für das Lernen und Lehren in der beruflichen Bildung“ Bonn: BiBB S.14-28
Schütte, F. (2006) „Berufliche Fachdidaktik“ Stuttgart: Steiner
SenBJS – Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport (1998) „Pädagogisches Rahmenkonzept für den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik in der Berliner Schule“ Berlin: SenBJS
SenBJS – Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport (2005) „eEducation Berlin Masterplan“ Berlin: SenBJS
Stein, H.-D. (2002) „Lernen mit digitalen Medien“ Berlin: dissertation.de
Terhart (1999) „Konstruktivismus und Unterricht“ in: ZfPäd 45
von Hentig, H. (2002) „Der technischen Zivilisation gewachsen bleiben“ Weinheim und Basel: Beltz

Von Jan Quast

Ich bin Berufsschullehrer mit dem Schwer­punkt Netzwerk­technik am OSZ IMT in Berlin. Auch zu finden auf Xing