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Historisches Lernen mit Industriedenkmälern

Historisches Lernen hat zum einen das Ziel einer "Verge­genwär­tigung von zeitlich Fernem". Dies kann zum Beispiel durch das Her­stellen eines Gegen­warts­bezuges oder durch die Rekon­struktion (Film, Aus­stellung) erfolgen. Zum anderen verfolgt histo­risches Lernen das Ziel einer „Suggestion von Authen­zität”. Diese kann durch die Arbeit mit histo­rischen Quellen, dem Kontakt mit Zeit­zeugen oder eben durch den Besuch histo­rischer Orte erfolgen. Die hier vorge­stellten Industrie­denkmäler sind als solche histo­rischen Orte zu verstehen, seien sie nun für pädago­gische Ver­mittlungs­zwecke präpariert oder nicht. Neuere Unter­suchungen zeigen, dass Schüler historischen Stätten oftmals ein höheres Ver­trauen entgegen­bringen als dem Lehrer oder schrift­lichen Dokumenten (Borries, 2001:11).

Unter einem Industrie­denkmal versteht man eine Industrie­anlage, die als Kultur­denkmal anerkannt und in die Denkmal­liste aufgenommen wurde. Die Er­innerung an die Geschichte der Industrie vor allem im 19. und 20. Jahr­hundert (Industri­alisierung) soll auf diesem Weg wach gehalten werden. Kößler und Mumme reden allgemein von einem histo­rischen Relikt, einem Friedhof, einem Museum und einem Denkmal, wobei auf jeder dieser Ebenen unter­schiedliche Formen der Reprä­sentation von Geschichte ent­stehen. Ciupke (2005:582) spricht in diesem Zusammnen­hang von Gedächtnis­speichern und materi­ellen Archiven, die Zeit­schichten bewahren, die durch Lern­handlungen frei­gelegt und inter­pretiert werden können. Es entwickelt sich ein

Spannungsverhältnis von sinnlicher Nähe und histo­rischer Fremd­heit, dem Inein­ander von zeitlich gegen­wärtigem und geschichtlich Anderem... Einerseits sind sie Relikte des Ver­gangenen. Sie sind aber auch Teil der heutigen Realität. (Kößler & Mumme, S.12)

Bei einem Besuch eines solchen histo­rischen Ortes geht es um Inter­pretation und Vergleich von Perspek­tiven. Die Geschichte bietet Alter­nativen und relativiert vorhandenes Wissen und erworbene Werte. Dabei geht es darum den Kontrast­charackter zur Gegen­wart wahr­zunehmen. Sutor (2005:354) sieht in der Geschichte mehr als nur die Vergangen­heit und meint damit , dass Histo­risches das Ver­ständnis der Gegen­wart und das Zukunfts­wollen beeinflusst. Rüsen (1977:48) schreibt dazu:

Geschichte ist derjenige Zusammenhang zwischen Vergangen­heit und Gegen­wart, den handelnde Indi­viduen und Gruppen reflek­tieren müssen, wenn sie ihr Handeln sinnhaft in einer Zukunfts­perspek­tive orien­tieren wollen.

Orten und Räumen kann auf verschie­denste Art begegnet werden: durch Spuren­sicherungen und aktive Er­kundungen, durch Ex­kursionen und thema­tische Füh­rungen, durch Plan­spiele, durch Lesen ent­sprechender Doku­mente, durch die Be­fragung von Zeit­zeugen, usw.

Unabhängig von der gewählten Methode und dem beglei­tenden Kontext im Unter­richt ist ein Besuch, eine Be­gegnung mit einem solchen Industrie­denkmal ein relativ offenes Lern­arrangment. Ciupke (2005:585f) nennt einige Faktoren die hier eine Rolle spielen: